W E R B U N G
Verwaltung statt Pflege


Es ist nichts Neues, dass wir Ärzte unsere Patienten mehr und mehr verwalten statt sie zu behandeln. Ein Patient muss meist erst im Computer "angelegt" sein, bevor man ihn röntgen oder ein Computertomogramm fahren kann, selbst wenn es ein Notfall ist. Dann verschlüsseln wir Assistenzärzte bei uns in der Klinik unsere Patienten auch selbst für die Abrechnung mit der Krankenkasse - und dies kostet Zeit, wenn die einfachsten Diagnosen plötzlich vom System nicht gefunden werden. Jede Untersuchung muss angemeldet, freigegeben, als gemacht abgeschlossen und dann der Befund diktiert und später korrigiert werden. Komplizierter geht es kaum.
Dass Blutabnehmen, Infusionskanülen legen in Deutschland Arztsache ist und nicht Sache der Schwestern ist nicht zu verstehen. Jeder niedergelassene Arzt hat Arzthelferinnen, die das für ihn übernehmen. Wir werden nachts wegen jeder Abnahme und Braunüle geweckt, weil Schwestern das angeblich nicht dürfen. Das Gesetz, das das angeblich vorschreibt, hat mir noch keiner zeigen können, trotz intensiver Recherche. Dafür müssen Schwestern Hol- und Bringedienst sein und Patienten zu den Untersuchungen schieben und wieder abholen. Außerdem übernehmen sie die Aufgabe der Apotheke und müssen die vielen tausenden Pillen für die Patienten vorbereiten und auch das Essen verteilen. Alles international gesehen keine pflegerischen Tätigkeiten. Folge der Ökonomisierung des Gesundheitssystems? Ich glaube: ja. Wir müssen wieder zurück zur originären ärztlichen Tätigkeit, besser geschult, weitergebildet und fortgebildet werden. Das klappt auch bei humanen Arbeitszeiten im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes mit maximal im 24-Wochendurchschnitt 48 Stunden Arbeitszeit pro Woche. Basisfähigkeiten wie Auskultation, körperliche Untersuchung und Sonografie müssen nicht nur im Studium intensiver behandelt, sondern auch jungen Ärzten während der Facharztweiterbildung systematisch beigebracht werden. Das ist eine Bringschult des Krankenhauses gegenüber den Assistenzärzten. Hier müssen strukturierte Weiterbildungscurricula her, wie es sie zum Beispiel in der Schweiz gibt. Dann wird der Beruf Arzt wieder attraktiv, dann werden wir Ärzte motiviert. Damit steigt dann auch die Qualität der Arbeit und die Zufriedenheit aller Beteiligen, nicht zuletzt die der Patienten, um die es ja eigentlich gehen sollte.


Autor: Bienchen