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 Intransparenzen im Gesundheitswesen 
 In  welchem  Staat  leben  wir  eigentlich?  Wenn  ich  die  Verstrickungen  im  deutschen  Gesundheitssystem  sehe,  dann  denke  ich  eher  an  Berlusconis  Italien  oder  das  Gebahren  eines  afrikanischen  Stammesfürsten  als  an  einen  deutschen,  transparenten  Rechtsstaat,  bei  dem  alles  geregelt  ist.  Zum  Beispiel  werden  Kassenzulassungen  für  Arztpraxen  zwar (...) im  Ärzteblatt  der  jeweils  zuständigen  Landesärztekammer  ausgeschrieben.  Doch  teilen  mir  mehrere  Kollegen  gleich  mit,  das  sei  nur  „pro  forma“  so,  die  Zulassungen  würden  in  Wirklichkeit  längst  vorher  unter  der  Hand  verkauft.  Wieso  eigentlich  verkauft?  Ich  dachte,  die  Kassenärztliche  Vereinigung  vergibt  die  Kassenzulassungen  an  Ärzte,  damit  eine  lückenlose  Versorgung  der  Patienten  sichergestellt  ist.  Na  ja,  das  sei  für  den  Patientenstamm,  raunt  mir  ein  Kollege  zu.  Ach  so,  weil  ich  seine  Patienten  weiter  betreuen  darf,  wenn  mein  Vorgänger  weggeht,  muss  ich  einige  zehntausend  Euro  bezahlen?  Ich  schüttle  innerlich  den  Kopf.  Was  für  ein  verqueres  System.
 
 Nebenbei  möchte  ich  Notdienste  machen  und  frage  Kollegen,  wie  ich  da  vorgehe.  „Du  musst  jemand  kennen,  der  dort  etabliert  ist,  über  den  Du  dann  dort  reinkommen  kannst“,  sagt  mir  der  Kollege,  der  gute  Kontakte  hat  und  den  Obmann,  so  heißt  der  Leiter  von  einer  Notdienstzentrale,  kennt.  „Ich  frage  den  Horst  mal,  der  Obmann  in  Buxtehude  ist  und  lege  ein  gutes  Wort  für  Dich  ein.“  Warum  ich  den  Obmann  denn  nicht  selber  fragen  könne.  Ja,  könnte  ich  schon,  aber  damit  würde  ich  wohl  nicht  dort  arbeiten  können,  das  ginge  so  nicht.  Also  ruft  er  den  Horst  an,  ich  gehe  zum  Vorstellungsgespräch  und  dann  zur  Dienstbesprechung.  Es  werden  die  Dienste  für  das  nächste  halbe  Jahr  eingeteilt.  Der  Dienstplan,  der  an  die  Wand  projiziert  wird,  ist  aber  schon  fast  vollständig  ausgefüllt.  Ich  frage  einen  Kollegen,  der  neben  mir  sitzt.  Ja,  zuerst  bekommen  die  Ärzte,  die  in  einer  Praxis  niedergelassen  sind  den  Plan,  dann  nach  einigen  Tag  die,  die  schon  länger  dabei  sind.  Jetzt  würden  an  die  Ärzte,  die  noch  nicht  so  lange  Dienst  machen,  nur  die  unbeliebten  und  schlechter  bezahlten  Restdienste  vergeben.  Das  sei  halt  so.
 
 Auf  der  Suche  nach  weiteren  Notdienstzentralen,  bei  denen  ich  mitarbeiten  kann,  stoße  ich  auf  Kollegen,  die  mich  irgendwo  einschleusen  wollen,  auch,  um  Dienste  loszuwerden.  Meist  sind  dort  die  Dienste  nicht  so  gut  bezahlt.  In  den  größeren  Städten,  wo  die  Notdienste  sich  noch  lohnen,  da  halte  R.  den  Daumen  drauf,  dass  man  dort  nicht  reinkomme.  R.  ist  ein  Kollege,  der  auch  in  meiner  Zentrale  mitarbeitet.  Er  kenne  die  Obmänner  verschiedener  Zentralen  gut  und  man  solle  ihn  sich  warm  halten,  berichtet  mir  eine  Kollegin.  Komisches  System.  Warum  kann  ein  Arzt  nicht  einfach  die  Kassenärztliche  Vereinigung  (KV)  fragen,  wo  Ärzte  für  die  Notdienste  gebraucht  werden,  die  KV    nennt  dann  den  Obmann.  Dann  bewerbe  ich  mich  als  Arzt  dort,  führe  ein  Bewerbungsgespräch  und  fange  an.  Notfalls  lasse  ich  mich  halt  noch  mal  auf  eine  Warteliste  setzen.  Das  wäre  doch  transparent!
 
 Ein  befreundeter  Kollege  musste  sich  für  seine  Notdienstzentrale  jetzt  ein  neues  Kartenlesegerät  für  350  Euro  kaufen  und  ein  Abrechnungsprogramm  für  seinen  PC  besorgen,  da  die  Abrechnung  der  Notdienste  seit  dem  1.1.2011  nur  noch  online  geht.  Nach  einigen  Schwierigkeiten  und  Hilfe  von  Kollegen  kommt  schließlich  die  Bestätigung  der  Software,  dass  alles  funktioniert  hat.  Nur  2  Quartale  (gleich  6  Monate)  später  kommt  dann  das  Geld.  5%  seien  ihm  abgezogen  worden,  weil  er  nicht  online  abgerechnet  habe.  Ein  Anruf  bei  der  zuständigen  Kassenärztlichen  Vereinigung  klärt,  dass  sich  die  KV  geirrt  hat.  Er  hatte  ja  online  abgerechnet.  Und  jetzt  würde  ihm  sein  Geld  gleich  überwiesen,  das  noch  fehle?  Nein,  nein,  so  einfach  sei  das  nicht,  sagt  der  Herr  am  anderen  Ende  der  Leitung.  Er  müsse  erst  einmal  Widerspruch  einlegen,  dann  würde  er  das  Geld  in  einigen  Monaten  erhalten.  Geht’s  nicht  noch  komplizierter  und  unfairer?
 
 Doch  geht  es:  Bei  der  Buchhaltung  fällt  einem  Kollegen,  der  zum  größten  Teil  von  Notdiensten  lebt,  auf,  dass  das  komplette  Honorar  einer  Notdienstzentrale  auch  nach  7  Monaten  noch  fehlt.  Er  hakt  bei  der  KV  nach.  Ja,  in  diesem  Gebiet  würden  jetzt  mehrere  Notdienstzentralen  zusammengelegt.  Das  dauere  noch  mit  der  Bezahlung.  Er  bekomme  sein  Geld  erst  in  weiteren  6  Monaten.  Proteste,  dass  er  aber  jetzt  seine  Kosten  bezahle  müsse,  fruchten  nichts.  Das  sei  halt  so.  Ach  so.
 
 Das  sind  nur  einige  wenige  Beispiele  über  die  Verstrickungen  und  Intransparenzen  im  Gesundheitssystem.  Ein  Amigo-Geflecht,  seltsame  Hierarchien  und  Protektionismus  nach  außen  kennzeichnen  es.  Hier  ist  ein  Kahlschlag  mit  neuer,  klarer  Strukturierung  und  Honorierung  dringend  notwendig.
 
 
 
 
 
 
 
 Kommentare zu dieser News: 
 
						
					
							
								| Datum: Do 06 Okt 2011 19:00 |  
								| Von: KV-Vergifteter 
 
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								| ... Großes Rad hat recht: So wie es in der großen Politik keine wirliche Reform gibt, gibt es sie auch nicht auf mittlerer Ebene, schon gar nicht in der Kassenärztlichen Vereinigung. Eine KV gibt es sonst in keinem Land der Welt.
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