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Gesundheitsreform gegen Hausärzte


Die Deutschen waren wieder im Fußballtaumel, da wurde einen Tag vor dem Halbfinale der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika gegen Spanien die Gesundheitsreform bekannt gegeben. Im Jahr 2006 war das auch schon so, als der Gesundheitsfonds und die Mehrwertsteuererhöhung von 3% von der großen Koalition durchgesetzt wurden. Und es ist eine ewige Wiederholung: Beitragserhöhungen, Zusatzbeiträge, Honorarbegrenzungen und keine nachhaltige Strukturreform. Verkauft wird das, wie auch bisher immer vom jeweiligen Gesundheitsminister, als Erfolg. Herr Rösler hatte es in der Talkshow bei Maybrit Illner allerdings schwer, seine Reform zu verteidigen (Lizenz zum Abkassieren).


Wenige Wochen vorher hatten einige sogenannte Ersatzkassen und die AOK, namentlich die AOK-Hamburg/Rheinland, die Barmer GEK, die DAK und die KKH-Allianz in einem Brandbrief Herrn Rösler aufgefordert, die hausarztzentrierte Versorgung in der aktuellen Form zu stoppen. Vordergründig scheinen sie erst einmal Recht zu haben: Wie können die Hausärzte mehr Geld fordern, während alle anderen sparen sollen? Doch so einfach ist das nicht. Für einen Patienten bekommt ein Hausarzt pro Quartal, also 3 Monate, etwa 38 Euro. Einige Leistungen, wie Impfungen, Gesundheitsuntersuchungen oder Ultraschall kommen noch dazu. Für diese 38 Euro kann der Patient so oft in die Praxis kommen wie er will, auch Hausbesuche sind schon abgedeckt. Die Folge ist es, dass die Ärzte in den Allgemeinmedizinerpraxen wenig Zeit für ihre Patienten haben, da sie viele Patienten brauchen, um sich überhaupt finanzieren zu können. Die Qualität sinkt, die Freude an der Arbeit ebenfalls, da die Ärzte zu einer oberflächlichen Medizin gezwungen werden.


Die Konsequenz ist auch ein Ärztehopping der Patienten von Spezialist zu Spezialist. Dies wird als „freie Arztwahl“ und damit als Vorteil verkauft. Doch welcher Patient weiß genau, welches Problem hinter seinen Symptomen steckt und an welchen Spezialisten er sich wenden muss? Hat ein Patient zum Beispiel einen akuten Schwindel, geht er häufig zuerst zum Neurologen – oder zum Hals-Nasen-Ohrenarzt. Dort wird dann teure Diagnostik betrieben, vielleicht ein Computertomogramm oder eine Kernspintomografie veranlasst, um ihn dann bei unauffälligen Befund zum Kardiologen weiterzuschicken. Ohne weitergekommen zu sein landet er anschließend beim Hausarzt, der besser sein erster Ansprechpartner und Lotse durch das Gesundheitssystems gewesen wäre. Unnötige Kosten hätten sich vermeiden lassen, der Hausarzt hätte mit einer Aufnahme der Krankheitsgeschichte, einer körperlichen Untersuchung, Ruhe- und Langzeit-EKG-Untersuchungen kostengünstig Diagnostik betreiben können. Zumal Allgemeinmediziner den Vorteil haben, die Patienten und deren Situation oft über Jahre und Jahrzehnte zu kennen.


Im benachbarten Ausland ist der Vorteil einer guten Hausarzt- sprich Primärversorgung – längst bekannt. So gilt für die Niederlande, dass dort 90% der Patienten mit 10% der Kosten des Gesundheitssystems qualitativ hochwertig versorgt werden. Auch das Gutachten zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen von 2009 beschreibt in den Kapiteln 6, 7 und 8 die Bedeutung der Allgemeinmedizin. Genannt wird hier die lebenslange Begleitung chronisch kranker Patienten, die Filter- und Steuerfunktion, die Betreuung des Krankens in seiner Familie oder häuslichen Gemeinschaft, die Gesundheitsbildungsfunktion, die Koordinations- und Integrationsfunktion, d.h. die gezielte Zuweisung zu Spezialisten, Organisation von Pflege, das Zusammenführen von Ergebnissen usw.

Die Frage ist, worum es hier wirklich geht. Möchte Minister Rösler die Versorgung sichern und ein behauptetes 11 Milliarden-Defizit der gesetzlichen Krankenkassen ausgleichen? Niemand von uns hat diese Zahl überprüft, wir nehmen sie als Hauptargument für gravierende Einschnitte einfach so hin, obwohl es vor einem Jahr noch einen Überschuss der Krankenkassen von 1,5 Milliarden gegeben hat. Ist es ein Zeichen, von wo der Wind weht, dass Herr Rösler Christian Weber, Vizedirektor der privaten Krankenkassen, als Abteilungsleiter des Bundesministerium für Gesundheit geholt hat, der wohl eher nicht das Interesse der gesetzlichen Kassen vertritt? Oder geht es hier um den Ausverkauf des Gesundheitswesens an private Investoren aus Deutschland und Amerika, wie Renate Hartwig sagt? Wer die Umstände und Inhalte dieser Pseudoreform hinterfragt kann dies fast glauben. Mit der Internetseite von Frau Hartwig beschäftigen sollten Sie sich auf alle Fälle www.patient-informiert-sich.de und auch Ihr Buch der verkaufte Patient lesen.

Wir sollten wachsam bleiben, welche Motivationen hinter dem Tun unserer Politiker und Funktionäre stecken. Patienten und Ärzte sollten hier zusammenwirken.


Autor: Der Neue Hippokrates